Montag, 12. März 2018

Mein erstes Stück Rotwild

23.11.2017

Drückjagd im schönen Harz 


Ein kalter Novembermorgen, halb 6 im ruhigen Göttingen. Alle Einwohner schlafen noch. Alle Einwohner? In einer kleinen Studentenwohnung am Rande des Weender Wohngebietes brennt schon Licht in der Küche: Und eine verschlafene Jana macht sich grad ihren allmorgendlichen Kaffee.
So wie jeden Morgen vor der Drückjagd klingelt der Wecker sehr früh, ich quäle mich aus dem Bett und gehe im Autopilot-Modus in die Küche, um mir meinen Kaffee zu machen.
Dann wieder zurück ins Schlafzimmer, lange Ellie und Funktionsshirt von X-Jagd an.
Die Swedteam Protection Pro Sauenschutzhose und meine Alpenheat- Heizweste liegen schon auf dem Wohnzimmertisch. Ebenso wie mein Futteral, die ladenden Westen-Akkus und der Tracker G1000 für Schlumi.
Ich setze mich auf die Bank, trinke meinen Kaffee und beiße in meinen Toast. Mittlerweile bin ich wach, gehe konzentriert alles noch mal durch. Ich lasse meinen Blick über den Tisch schweifen: Munition, check. Schlagschutzweste, check. Tracker-Handy, check. Alles da. Ich starte das Handy, lade mir die Karten für die heutige Jagd im Harz runter. Die Aufregung steigt immer mehr. Zügig trinke ich den letzten Schluck meines Kaffees aus, schlüpfe in meine Swedteam Hose und ziehe die Weste drüber. Schal umgewickelt, Stiefel an und alle Hundesachen in die Plastikbox gepackt. Die Waffe über die Schulter, Hundekrambox gepackt, Schlumi an die Leine. So stapfe ich die Treppe runter, zum Jimny, der von den letzten Drückjagden noch unnormal voll gepackt ist. Allen Kram eingeladen, gehe ich mit Schlumi noch eine Runde um den Block. Es ist kühl und während ich mit Schlumi wieder zum Auto gehe, fängt es an zu nieseln. Na toll. Das kann ja heute noch ein schöner Jagdtag werden...

Mittlerweile bin ich am Sammelplatz angekommen. Es nieselt nicht mehr, dafür ist es hier eisekalt und gefroren. Ich gehe noch einmal mit meinem Hund hoch und runter, dann packe ich ihn wieder ins Auto und hole meinen Jagdschein für die Jagdscheinkontrolle. Schon während ich in der Schlange stehe und warte, erspähe ich die ersten bekannten Gesichter. Ich freue mich, dass ich nicht allein bin und unterhalte mich ein wenig mit meinen Jagdfreunden, ehe die ersten Hornsignale ertönen. Jetzt geht es bald los...

Ich sitze in meinem Jimny und fahre im Convoi hinter meinem Ansteller her. Steil schlängelt sich der geschotterte Waldweg die Harzhänge hoch, während mein Radio leise Musik von sich gibt. Ich folge aufmerksam dem Geländewagen vor mir, während immer mehr Autos links und rechts zum Parken angewiesen werden, und die Schützen und Hundeführer ihre Stände beziehen.
Dann endlich bin auch ich dran. Ich stelle mein Auto ganz rechts an der Böschung ab und steige erstmal kurz aus, um mich einweisen zu lassen. Links vom Weg geht es einen Steilhang runter. Rechts von einer jungen Fichtendickung soll ich mich halten, dann sieht man bereits die offene Kanzel. Ich bedanke mich, und packe mein Zeug zusammen. Schnell stecke ich Schlumi in seine Weste, Knarre auf die Schulter und ab. Bis zum Sitz habe ich mich bereits fünf mal laut fluchend hingemault. Eher stolpernd als gehend komme ich an meiner Kanzel an. Schlumi mache ich unten fest, dann klettere ich selbst hoch und richte mich ein. Ich lade und mache es mir gemütlich. So einen bombastischen Ausblick hatte ich vom Hochsitz wirklich absolut noch nie. Alleine dafür hat es sich schon gelohnt, hier hin zu fahren. Direkt vor mir verläuft ein schmaler Grasweg. Ich schaue ihn links runter und sehe einen Fuchs auf mich zu schnüren. Leider sind die roten Räuber nicht frei, darum lasse ich ihn passieren. Stolz wie Oskar bewundere ich meinen jungen Wachtel, der ebenfalls keinen Mucks von sich gibt, als der Fuchs auf 15m vor ihm vorbei wechselt.

Ein kurzer Blick auf die Uhr. Es ist soweit. Hundeschnallen. Ein kleines Küsschen auf die Fellnase, dann schicke ich Schumi stöbern. Er macht sofort schwanzwedelnd einen Zisch. Zufrieden schaue ich ihm nach, bis er um die Kurve des Grasweges verschwindet. Ganz unten im Tal sehe ich winzig klein eine Sau huschen. Es dauert nicht lang, da ist sie weiter oben im hang. Aber immer noch sehr weit den steilen Hang runter. Eine Bache mit zwei Frischlingen hinterher. Zu weit, kein rankommen. Ich warte weiter, ehe ich einen ersten Schuss den Hang hoch höre. Obwohl der Schütze nicht in meinem Gefährdungsbereich sitzt, hört es sich an als wäre er direkt neben mir gebrochen, so laut hallt es den Hang herunter. Ich sehe weit entfernt im Buchenrauschen einen Rehspiegel verschwinden.
Wie immer teste ich ein wenig in alle Richtungen, wie ich am Besten mit meiner Waffe in Anschlag komme. Schlumi ist mittlerweile wieder bei mir unterm Sitz und macht eine kurze Pause. Gerade schaue ich durchs Glas, als ich ein weibliches Stück Rotwild ausmache. Schwer zu sagen, was es ist... ich tippe auf Schmaltier, bin mir aber ganz und gar nicht sicher. Darum warte ich, ob noch etwas hinterher kommt. Langsam zieht es auf mich zu, ich beobachte es schon durchs Absehen, habe es perfekt im Glas. Ich kann es nicht sicher ansprechen, darum ist der Finger noch gerade.
Immer weiter kommt es den Hang hoch, als ich sehe, wie es den einen Hinterlauf schont, wie es schweißt. Ein bereits getroffener, weicher Schuss macht das Stück so langsam. Genau in dem Moment, als das Stück mich eräugt, hallt der nächste Schuss den Hang herunter. Er kommt von mir, das Kalb bricht im Knall zusammen. Ich warte wenige Sekunden lang das letzte Schlägeln ab. Dann Stille.

Es beginnt in meinem Brustkorb, dieser Adrenalinstoß nachdem ich ein Stück erlegt habe. Von da aus schießt es mir in den Kopf und in die Finger. Dann beginne ich am ganzen Körper zu zittern. So ruhig ich auch vor dem Schuss bin, so sehr schüttelt es mich danach. Ich kann die Füße nicht still halten, der ganze Hochsitz bibbert für kurze Zeit mit. Bis wieder Ruhe einkehrt.

Verdammt groß kommt es mir vor, dieses Wildkalb. Wie es da so im Steilhang liegt, kommt es mir unmöglich vor dieses riesige Tier selber aufzubrechen und zu bergen. Gott sei Dank hilft mir ein bekannter Schweißhundeführer. Es ist schon eine ziemliche Aufgabe, das Stück durch die Dornen den gesamten Steilhang runter zu ziehen. Und anschließend wieder hoch zu klettern. Mittlerweile ist es auch ziemlich warm. Garnicht mehr so kalt wie heute morgen. Die Sonne brennt runter, während ich mich den Dornenhang wieder hoch quäle. Dann haben wir es geschafft.

Da wir noch den anderen Schützen aus der Gruppe beim Bergen helfen müssen, schaffen wir es nicht pünktlich zur Bruchübergabe. Kurz kann ich mich noch mit einem Jagdkollegen unterhalten. Etwas traurig bin ich, dass ich keinen Bruch für mein erstes Stück Rotwild bekommen habe. Er versucht mich aufzumuntern: „Manche Leute haben einen Bruch am Hut, andere haben Schweiß an den Händen und eine Geschichte zu erzählen.“ Er zwinkert mir zu, und wir gehen lachend zum Auto, um uns auf den Heimweg zu machen. Was für ein unglaublicher Jagdtag.





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