Dienstag, 28. November 2017

*Teil 2 - Meine erste Sau*

Das Leben eines Hundeführers - Meine Anfänge

Samstag, 18.11.2017

Erleichtert, dass mein Hund wohlbehalten im Auto liegt und schläft und glücklich, dass ich tatsächlich Waidmannsheil gehabt hatte, trank ich meine Cola, half ein wenig die angelieferten Stücke auf die Strecke zu legen und wartete, dass meine Freunde am Streckenplatz eintrudelten.
Aufgeregt erzählten wir uns, was wir erlebt und wie unsere Hunde gejagd hatten und aßen einen Teller Gulaschsuppe.
Mit einem Ohr bekam ich mit, wie die Nachsuchen koordiniert wurden... "...Sau beschossen..." "...muss einer Kontrollsuche machen..." "...Reh abgesprungen..." "...bei mir kam eine schon laufkranke Sau vorbei..." Wie das halt so ist. Hä? Moment mal... hatte er gesagt, bei ihm kam eine schon laufkranke Sau vorbei? Vorsichtig erkundigte ich mich, wo der Schütze denn gesessen hätte, das von mir erlegte Stück hatte ja immerhin bereits einen Keulenschuss gehabt. Vielleicht ist es ja das selbe Stück. Er erklärte mir, wo er gesessen hatte und dass er die kranke Sau mangels Kugelfang nicht hatte beschießen können. Ein guter Freund, ebenfalls Wachtelführer, hörte aufmerksam mit zu. Schnell konnten wir nahezu ausschließen, dass es sich bei meinem Schwein um das von dem Schützen gesichtete kranke Stück handelte, die Entfernung war einfach zu groß, als dass das naheliegend gewesen wäre. Blieb also dieses laufkranke Schwein, welches noch nachgesucht werden musste.
Die Frau des mit mir befreundeten Hundeführers führt ebenfalls einen, auf Schweiß ausgebildeten, Wachtel. Der Plan war, mit dem einmal schauen zu gehen. "Jana, möchtest du Schlumi hinterher führen? Mit großer Wahrscheinlichkeit kommt es zur Hatz, und da können wir jeden Hund gebrauchen!" Na klar! Da kann mein Doggo ja nur was erleben und lernen.

Schlumi hat das erstmal garnicht so gesehen. "Hey, Alte! Ich hab meinen Mantel schon an und geschlafen, ich hab jetzt FEI-ER-A-BEND!" Leider musste ich ihn enttäuschen, und so wurde er schnell wieder in seine Schlagschutzweste gesteckt und ab ging es zu dem Stand des Schützen.

Mit drei Hunden ließen wir uns einweisen, wo die laufkranke Sau gesehen wurde. Schnell kamen wir an den ersten Schweiß auf der Verwundfährte, unmittelbar an einem dicken Brombeerfeld. Uns schwante schon, dass das kranke Schwein mit Sicherheit nicht weit sein konnte...

Die schweißpassionierte Wachtelhündin suchte vorran, und wir mit unseren zwei Rüden hinterher. Aufgeregt, aber arbeitswillig, verwies auch mein unger Hund mir die Schweißtropfen auf der Fährte in den Brombeerranken, als der Troubel plötzlich losging. Hundegeläut, Rascheln, Chaos, "Schnallen"... Mit einem energischen "Huuui pack sie dir" striff ich meinem Hund sein Halsband ab und schickte ihn vorran, nur um unmittelbar selbst hinterher zu sprinten. Adrenalin schoss durch  meine Adern, die Anstrengung und die Kratzer der Brombeeren nahm ich kaum wahr. Immer energischer wurde das Hundegeläut der drei Wachteln. Kampftruppe. Voller Einsatz.
VOLLBREMSUNG! Durchs Gebüsch hinter den Hunden hersprintend, standen wir plötzlich vor einer knapp 10m hohen abbruchkante. Klarer Blick auf die Sau, die sich unten den Hunden gestellt hatte. an einen Fangschuss nicht zu denken. Wo ist mein Hund?! Ach da! Alles klar! RUNTER DA!!
20m neben uns ging es nur unwesentlich flacher den Abhang runter, auf dem Hintern rutschend kamen wir unten an. Näher an den lebendigen Überläuferkeiler. Die Hunde, neuen Mut, die Menschen kommen, RAN DA! Der Führer des Rüden war als erstes am Stück, schnell hatte er sein Messer zur Hand und fing das Keilerchen ab. Einige wenige Sekunden, eine gefühlte Ewigkeit, hat sich der Überläufer gewehrt. Ein letztes Klagen, dann war es vorbei.

Freudig kam mein Hund zu mir, wieder ran an die Sau, wieder zu mir."Feiner Junge, hast du gut gemacht!" Ich kniete halb, saß halb, meinen Hund auf dem Schoß und atmete tief durch.
ALTER VERWALTER! Irgendwie hatte ich noch nicht so ganz verinnerlicht, dass das grad alles wirklich passiert war und mein Körper brauchte einige Atemzüge, um den Adrenalinpegel in meinem Blut wieder runter zu fahren. Einen Vorderlaufschuss sowie einen Keulenschuss hatte das Schwein. Lange musste es nicht damit leiden.

So aufregend und durcheinander die Situation für mich auch war, die Hunde haben sauber gearbeitet, das Stück schnell gestellt und es wurde schnell erlöst. Maximal 15 Minuten, seit die Wachtelhündin den ersten Tropfen Schweiß auf der Verwundfährte verwiesen hatte. Eine tolle Leistung der drei Wachteln. Ein aufregendes Erlebnis für mich. Ein Erlebnis, welches mich und meinen Hund zusammenschweißt.

Als wir wieder am Streckenplatz ankamen, war die Strecke bereits verblasen, die Brüche bereits verteilt. Ich habe keinen Bruch für meine erste Sau bekommen. Aber ich habe dazu beigetragen, dass zwei kranke Stücke nicht unnötig länger leiden mussten. Mein Hund hatte toll gejagd während des Treibens. Und wir haben einen Tag erlebt, der uns noch einmal deutlich enger zusammengeschweißt hat. Wenn Frauchen das kranke Schwein fangen will, dann will ich das auch. Und zusammen können wir alles schaffen.

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ZUSATZ:

Jeder, der nun darüber meckern möchte, wie "marzialisch" diese Geschichte ist: Ja, vielleicht ist das so. Ich kann nicht so richtig beschreiben, wie ich mich gefühlt habe, als ich die Sau habe leiden und sterben sehen. Erleichterung, Aufregung, definitiv auch Mitleid und Schmerz. Das Leid und die Angst des Tieres ist in so einem Moment nicht zu übersehen. Und so nah dabei zu sein, das hat mich stark berührt. Die nächste Nacht habe ich von diesem Erlebnis geträumt, das hat mich stark beeindruckt. Ich weiß, dass ich sowas "ab kann". Das heißt aber nicht, dass mich das kalt lässt.

Und gerade, weil wir mit dem Stück fühlen, müssen wir solche Nachsuchen machen, so "marzialisch" das vielleicht auch erstmal erscheinen mag. Der arme Keiler hatte sowohl einen Hinterlauf als auch einen Vorderlauf krank. Auch diese Schmerzen, sich damit durch die Brombeeren zu kämpfen, hängen zu bleiben, unvorstellbar.

Ich bin froh, dass wir passionierte Leute haben, die sich vollzeit um Hunde kümmern, die wieder "grade bügeln", was uns Schützen an Fehlern passiert. Ohne Hunde, die an solchen Stücken ihre Gesundheit und ihr Leben riskieren, könnten wir gar nicht gescheit jagen; könnten wir nicht ehrlich zu uns selbst sagen, dass wir versuchen, das Tierleid so gering zu halten, wie nur irgendwie möglich.

In dem Zusammenhang appelliere ich auch noch einmal an alle Schützen: Seid ehrlich, kooperativ und habt Respekt vor den Schweißhunden und den Schweißhundeführern, die den Mist, den Ihr verbockt habt, wieder ausbügeln. (und ja, das kann immer mal passieren, darum geht's garnicht!)











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